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Für eine konsequente Tabakprävention – Forderungen des Aktionsbündnisses Nichtrauchen e.V. (ABNR)

B 2 Tabak

B 2-1 Inga Jesinghaus / Uwe Prümel-Philippsen

Für eine konsequente Tabakprävention Forderungen des Aktionsbündnisses Nichtrauchen e.V. (ABNR)

Ausgangssituation:
Der Konsum von Tabakprodukten führt in Deutschland jährlich zum vorzeitigen Tod von mehr als 100.000 Menschen. Das sind mehr Todesfälle als durch Alkohol, illegale Drogen, Verkehrsunfälle, AIDS, Morde und Selbstmorde zusammen verursacht werden. Zusätzlich sterben hierzulande jedes Jahr mehr als 3.000 Menschen durch Passivrauchen. 2

Die Gefahren des Rauchens sind hinlänglich bekannt. Dessen ungeachtet rauchen in Deutschland immer noch ca. 30 Prozent der Erwachsenen. Da Tabak in hohem Maße suchterzeugend ist, können Aufklärungskampagnen alleine nicht zu einem relevanten Rückgang der Raucherquoten führen. Erforderlich sind daher konsequente regulatorische und gesetzliche Maßnahmen, die das Rauchen insbesondere für junge Manschen weniger attraktiv machen. In anderen EULändern (z.B. Finnland, Schweden) konnte die Raucherquote durch strikte Tabakprävention bereits auf unter 20 Prozent reduziert werden. Der dringende Nachholbedarf Deutschlands bei der Tabakkontrolle wird unterstrichen durch das blamable Ergebnis der neuesten Europäischen Tabak-Kontroll-Skala 2013, wonach Deutschland unter den befragten 34 Ländern den vorletzten Platz einnimmt.3

2   vgl. Homepage der Drogenbeauftragten der Bundesregierung: http://www.drogenbeauftragte.de/drogen-undsucht/tabak/situation-in-deutschland.html (abgerufen am 16.04.2014)
3   Joossens L, Raw M: The Tobacco Control Scale 2013 in Europe. Präsentiert auf der Sixth European Conference Tobacco or Health (TCToH), Istanbul, 26.-29. März 2014.

Den Rahmen für Tabakprävention auf nationaler Ebene setzen insbesondere das WHORahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakgebrauchs (FCTC) und die Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union sowie weitere Richtlinien der Europäischen Union, z.B. zum Tabakmarketing oder zur Tabakwerbung.

Anforderungen an eine konsequente Tabakprävention:
Um den Tabakkonsum in allen Teilen der Bevölkerung langfristig zu senken und die Bürgerinnen und Bürger besser vor Passivrauch zu schützen, sind vor allem effektive regulatorische Maßnahmen notwendig. 4
Zentrale Forderungen des ABNR sind deshalb:
1. Nichtraucherschutz gesetzlich verbessern und vereinheitlichen
2. Tabakwerbung, Promotion und Sponsoring in jeder Form verbieten
3. Tabaksteuern kontinuierlich und deutlich erhöhen
4. Vertriebsmöglichkeiten von Tabakwaren einschränken
5. Hilfen zum Rauchstopp verbessern
6. E-Zigaretten und E-Shishas wirksam regulieren
7. Einflussnahme der Tabakindustrie transparent machen und eindämmen.

1. Nichtraucherschutz gesetzlich verbessern und vereinheitlichen …in allen Arbeitsstätten
Arbeitgeber sind seit 2002 gesetzlich verpflichtet, die nicht rauchenden Beschäftigten in der Arbeitsstätte wirksam vor Tabakrauch zu schützen (§ 5 Arbeitsstättenverordnung ArbStättV). In Arbeitstätten mit Publikumsverkehr sind Schutzmaßnahmen allerdings „ … nur insoweit zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Beschäftigung es zulassen.“ Daher sind Beschäftigte in der Gastronomie, in Friseursalons etc. durch die Arbeitsstättenverordnung nicht ausreichend vor Tabakrauch am Arbeitsplatz geschützt.
Erforderlich ist daher ein wirksamer Schutz ausnahmslos aller Beschäftigten vor Tabakrauch.

…in allen öffentlich zugänglichen Innenräumen
Der Nichtraucherschutz in Deutschland gleicht einem „Flickenteppich“ aus einem Bundesgesetz und 16 verschiedenen Landesgesetzen. Eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung wäre nicht nur rechtlich möglich, sondern auch aus Gründen der besseren Umsetzung und der Vermeidung der zurzeit unübersichtlichen Ausnahmeregelungen auch geboten. Erforderlich ist daher ein ausnahmsloses und bundeseinheitliches Rauchverbot zum Schutz von Nichtrauchern in öffentlich zugänglichen Innenräumen durch ein umfassendes Bundesgesetz. Vorbildhaft dafür sind die gesetzlichen Regelungen der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen und Saarland.

2. Tabakwerbung, Promotion und Sponsoring in jeder Form verbieten Seit 2006 ist Tabakwerbung in Printmedien, im Internet und bei grenzüberschreitenden Veranstaltungen grundsätzlich verboten. Auch in Funk und Fernsehen darf nicht für Tabakprodukte geworben werden. Plakatwerbung, Werbung an Verkaufsstellen und Werbefilme im Kino nach 18:00 Uhr sind allerdings immer noch erlaubt. Die Promotion von Tabakprodukten (z. B. Sonnenschirme mit Markenaufdruck für die Gastronomie) und das Sponsoring von öffentlichen Veranstaltungen sind ebenfalls weiterhin zulässig, sofern sie nicht grenzüberschreitend sind. Ferner nutzt die Tabakindustrie ihre Zigarettenverpackungen als wichtige für sie verbleibende Werbefläche.

Erforderlich ist ein absolutes Werbe-, Promotionsund Sponsoringverbot. Hierzu ist Deutschland schon aufgrund des WHO-Rahmenübereinkommens verpflichtet. Deutschland sollte außerdem den nationalen Spielraum im Rahmen der neuen Tabakproduktrichtlinie nutzen und neutrale Verpackungen (Plain Packaging) einführen.

3. Tabaksteuern kontinuierlich und deutlich erhöhen Preiserhöhungen für Tabakwaren führen erwiesenermaßen zu einem Rückgang des Tabakkonsums. Tabaksteuererhöhungen sind, wenn sie mit spürbaren Preiserhöhungen einhergehen, eines der wirksamsten Mittel der Tabakprävention. In der Gruppe der jugendlichen Raucherinnen und Raucher bewirkt ein Preisanstieg für Tabakwaren sogar eine überproportionale Reduzierung des Tabakkonsums.5

Erforderlich sind kontinuierlich vorzunehmende Tabaksteuererhöhungen, die zu einer spürbaren Preiserhöhung führen. Dabei sollten alle Tabakwaren wie Fabrikzigaretten, Zigarillos sowie loser und vorportionierter Feinschnitt gleich hoch besteuert werden.

4. Vertriebsmöglichkeiten von Tabakwaren einschränken
Tabakwaren sind in Deutschland fast rund um die Uhr erhältlich: z.B. in Supermärkten, an Tankstellen und Zigarettenautomaten. Von einer Million Zigarettenautomaten in der EU stehen über 400.000 allein in Deutschland. Technische Jugendschutzvorrichtungen zur Altersprüfung an Zigarettenautomaten sind unzureichend.
Erforderlich ist ein Verbot aller Zigarettenautomaten und eine Lizenzierung von Tabakverkaufsstellen.

5. Hilfen zum Rauchstopp verbessern Rauchen ist die führende Ursache für Krankheiten, wird aber dennoch oft als „Life-Style“Phänomen verharmlost, das allein der freien Willensentscheidung unterläge. Ein Großteil der Raucherinnen und Raucher hingegen erfüllt die Kriterien einer Tabakabhängigkeit. Wissenschaftlich anerkannte, qualitätsgesicherte Angebote, die individuell auf Raucherinnen und Raucher abgestimmt sind, können dazu geeignet sein, Menschen beim Rauchausstieg zu unterstützen.
Erforderlich ist eine Regelung, die die Kostenübernahme für wissenschaftlich gesicherte Methoden der Tabakentwöhnung bei bestehender Abhängigkeit ermöglicht.

6. E-Zigaretten und E-Shishas wirksam regulieren
Elektronische Inhalationsprodukte wie EZigaretten und E-Shishas – häufig als die gesündere Alternative zu Tabkzigaretten beworben erobern zunehmend den Markt. Die gesundheitlichen Gefahren, die mit ihrem Konsum verbunden sind, sind derzeit aufgrund der geringen Datenlage nicht abschätzbar. Bisher unterliegen E-Zigaretten und EShishas keiner gesetzlichen Regelung. Künftig werden sie, sofern sie Nikotin enthalten, im Rahmen der europäischen Tabakproduktrichtlinie reguliert. Sie können in Zukunft je nach Nikotingehalt entweder als Tabakerzeugnisse oder als Arzneimittel eingestuft werden. Bei einer Einstufung als Tabakprodukt unterliegen E-Zigaretten den gleichen Werbebeschränkungen wie Zigaretten und müssen wie diese mit Warnhinweisen versehen werden.

E-Zigaretten, die kein Nikotin enthalten, fallen allerdings wie nikotinfreie E-Shishas nicht unter die Tabakproduktrichtlinie und bleiben damit unreguliert und frei verkäuflich. Dies ist aus Sicht des ABNR höchst problematisch. Aktuelle Studienergebnisse weisen darauf hin, dass E-Zigaretten durch die Nachahmung des Rauchens als Einstiegsprodukt in das Rauchen dienen können.6 Es ist zu befürchten, dass dies auch für E-Shishas gilt.7 Nicht geregelt werden außerdem Aromastoffe in EZigaretten und E-Shishas. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, da derzeit eine bunte Palette an Aromastoffen in Liquids für E-Zigaretten und E-Shishas eingesetzt wird, die vor allem auf junge Menschen abzielen. Insbesondere E-Shishas gewinnen in jüngster Zeit in alarmierendem Maße an Beliebtheit bei Kindern und Jugendlichen.

Erforderlich ist eine zügige und konsequente Umsetzung der in der europäischen Tabakproduktrichtlinie vorgesehenen Maßnahmen zur Regulierung von E-Zigaretten, die Nikotin enthalten. Darüber hinaus ist dringend eine Regulierung von E-Zigaretten und E-Shishas, die kein Nikotin enthalten, erforderlich. Für sie sollten die gleichen Regeln bezüglich Altersbeschränkung, Werbeverbot, Verbot von charakteristischen Aromastoffen und Warnhinweisen wie für Tabakprodukte gelten.

7. Einflussnahme der Tabakindustrie transparent machen und eindämmen
Die Etablierung und Umsetzung einer wirksamen Tabakprävention wurde und wird in Deutschland durch die starke politische Einflussnahme der Tabakindustrie erschwert oder sogar verhindert. In 2008 legte die WHO internationale Leitlinien für den Umgang von politischen Entscheidungsträgern mit Vertretern der Tabakindustrie vor. In den Leitlinien, an deren Entwicklung sich Deutschland beteiligt hat, wird der fundamentale und unüberbrückbare Konflikt zwischen den Interessen der Tabakindustrie und gesundheitspolitischen Interessen beschrieben. Die Leitlinien sehen vor, dass im Umgang mit der Tabakindustrie Maßnahmen zu ergreifen sind, die die Transparenz der Interaktionen zwischen staatlichen Stellen und der Tabakindustrie gewährleisten und die die Interaktionen mit der Tabakindustrie insgesamt beschränken.

Erforderlich ist die konsequente Umsetzung und Beachtung der WHO-Leitlinien für den Umgang von politischen Entscheidungsträgern mit Vertretern der Tabakindustrie.

4  Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Tabakprävention in Deutschland – was wirkt wirklich? Aus der Wissenschaft für die Politik, Heidelberg, 2014

5  Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.): Tabakprävention in Deutschland – was wirkt wirklich? Aus der Wissenschaft für die Politik, Heidelberg, 2014

6  Dutra LM, Glantz SA (2014): Electronic Cigarettes and Conventional Cigarette Use Among US Adolescents A Cross-sectional Study, JAMA Pediatr. Published online March 06, 2014. doi:10.1001/ jamapediatrics.2013.5488

7  Deutsches Krebsforschungszentrum (2014) Informationen für Schulen: E-Zigaretten und E-Shishas. Fakten zum Rauchen, Heidelberg