Drug-Checking

Von Rüdiger Schmolke und Tibor Harrach

Drug-Checking ist eine Strategie der Schadensminderung beim Drogenkonsum und Prävention von konsumbezogenen Problemen, die sich in mehreren europäischen Ländern etabliert und ihre Effektivität erwiesen hat. Beim Drug-Checking erhalten zum Konsum entschlossene Besitzer/innen illegal gehandelter Substanzen die Möglichkeit, diese vor Ort (zum Beispiel im Rahmen einer TechnoParty, möglicherweise auch in einem Drogenkonsumraum) oder durch Weitergabe an ein stationäres Labor analysieren zu lassen. Dabei wird mittels instrumenteller Analytik, in der Regel HPLC oder Massenspektroskopie, die Identität und der Gehalt der psychotropen Wirkstoffe bestimmt. Die Substanzanalyse dient beim Drug-Checking dem Ziel, Konsument/innen vor gesundheitlichen Schäden durch ungewollte Überdosierungen, unerwartete psychoaktive Substanzen und gesundheitsgefährdende Verunreinigungen zu schützen.
Durch eine mit der Substanzanalyse verbundene Beratung über das Risiko des Konsums auf Basis des Testergebnisses fördert Drug-Checking auch die Entwicklung eines individuellen Risikomanagements der Konsument/innen. Drug-Checking trägt auch hierdurch dazu bei, vermeidbaren Schädigungen durch Drogenkonsum vorzubeugen.

Drug-Checking stellt keine Konkurrenz, sondern eine sinnvolle Ergänzung zu anderen (sucht)präventiven und helfenden Maßnahmen der Drogenarbeit dar. Erfahrungen der Drug-Checking-Angebote in anderen Ländern zeigen dabei deutlich, dass Drug-Checking ein Präventionsund Beratungsangebot auch für bislang nicht durch das etablierte Präventionsund Hilfesystem erreichte Konsumierende darstellt.
Gegen das 1995/96 von Eve & Rave Berlin e.V. ohne jede staatliche Unterstützung durchgeführte Drug-Checking-Angebot ging die Berliner Staatsanwaltschaft vor. Obwohl das Berliner Landgericht die Klage abwies und im Drug-Checking von Eve & Rave keine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz sah, konnte das Programm nicht wieder aufgenommen werden. Danach ist es in Deutschland nicht mehr gelungen, wieder ein DrugChecking-Angebot zu implementieren, das ähnlich differenzierte und valide Substanzanalysen ermöglicht wie die inzwischen in den Niederlanden, der Schweiz, Österreich, Spanien und Portugal etablierten Angebote. 50

In Deutschland führen heute Szeneinitiativen Schnelltests durch, z. B. mit Marquis-Reagenzlösung. Schnelltests erlauben durch eine Farbreaktion bestimmte Wirkstoffgruppen zu identifizieren. Jedoch werden weder Verunreinigungen erkannt, noch können quantitative Aussagen gemacht werden. Durch das Angebot kommen Akteure aus den Initiativen aber mit Konsument/innen ins Gespräch und können sie über allgemeine Konsumrisiken aufklären und für spezielle Risiken sensibilisieren, die durch den Konsum von nicht analysierten Substanzen ausgehen.

Ein Antrag der Bundestagsfraktion von Bündnis`90/Die Grünen, „…ein wissenschaftlich begleitetes und multizentrisches Modellprojekt aufzulegen, das Wirkungen, geeignete Akteure und strukturelle Voraussetzungen der stationären und mobilen Substanzanalyse untersucht [sowie] Rechtssicherheit für die Substanzanalyse zu schaffen, bei den Ländern auf die Unterstützung von Angeboten der Substanzanalyse hinzuwirken“, 51 wurde mit Stimmen der Regierungsfraktionen aus CDU/CSU und FDP sowie der SPD im Jahr 2012 abgelehnt. 52
Die Schaffung eines Drug-Checking-Angebots ist in Deutschland jedoch auch unter den gegebenen gesetzlichen Bedingungen möglich, indem
‐ nach Antrag das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu „wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken“ eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 (2) BtMG erteilt oder ‐ eine Landesregierung analog dem „Frankfurter Konsumraummodell“ auf Grundlage eines Umsetzungskonzepts und gestützt durch Rechtsgutachten eine Absprache zwischen Strafverfolgungsbehörden und Betreibern des Drug-Checking-Angebots erwirkt, die letzteren Rechtssicherheit bei der Durchführung gibt und/oder
‐ Öffentliche Apotheken und KrankenhausApotheken (gemäß § 4 BtMG) Betäubungsmittel ohne weitere Erlaubnis entgegennehmen und zur Untersuchung weiterleiten.

Zwar arbeiten die amtierenden Landesregierungen in Schleswig-Holstein (SPD-GrüneSSW), Hessen (CDU-Grüne) und Berlin (SPDCDU) auf Grundlage von Koalitionsverträgen, die die Einführung eines Drug-CheckingModellprojekts vorsehen. Ernsthafte Schritte zur Schaffung eines Drug-Checking-Angebots wurden jedoch von keiner Landesregierung unternommen. Bei Nachfragen wird regelmäßig auf die fehlende Unterstützung der Bundesregierung verwiesen.
Drug-Checking fördert die Gesundheit von (potenziellen) Drogengebraucher/innen. Seine Praktikabilität und Effektivität ist hinreichend erwiesen. Es ist überfällig, dass Drogenpolitiker/innen in Bund und Ländern ihre Verantwortung wahrnehmen und ein Drug-Checking-Modellprojekt initiieren.

50 Drug-Checking-Projekte aus mehreren europäischen Ländern arbeiten inzwischen auch im Projekt Trans European Drug Information (TEDI) zusammen, siehe www.tedi-project.org.
51 Bundestags-Drucksache 17/2050, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/020/170 2050.pdf
52 In der Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags am 28.09.2011 hatten sich neben den meisten Einzelsachverständigen auch alle Fachverbände im Drogenhilfebereich sowie der Deutsche Städtetag für die Initiierung eines DrugChecking-Modellprojekts ausgesprochen.