Elektronische (E-)Zigaretten und E-Shishas auf dem Vormarsch – fehlende gesetzliche Regelungen behindern den Verbraucherschutz

Von Heino Stöver

Seit der Patentierung des E-Zigarettenmodells von Hon Lik im Jahre 2003 in China hat die chinesische Firma Ruyan mit der Massenfertigung und Verkauf im Jahre 2004 begonnen. In Europa begann der Verkauf etwa seit 2007/8. Seitdem hat die Verbreitung der EZigarette enorm zugenommen. Marktanalysten vermuten, dass die E-Zigarette schon in 10 Jahren die konventionelle Nikotinzigarette überholen wird (Wells Fargo 2013). Bereits heute gibt es mehr als 7 Mio. „Dampfer“ in Europa (European Commission 2012) – Tendenz ansteigend; eine Entwicklung, die sich genau gegenläufig zum Rückgang der Tabakzigaretten vollzieht. Diese Entwicklung ist nur vergleichbar mit einer anderen Rauchrevolution: der Erfindung der Zigarettenrollmaschine von James Bonsack im Jahre 1880, mit einer Fertigung von 200 Zigaretten pro Minute. Damit hatte die Zigarette ihren Siegeszug begonnen – und die Gesellschaft gespalten in Raucher und Nichtraucher.

Seltsam nur, dass die Politik nicht wirklich auf dieses neues Phänomen reagiert: Noch immer fehlen gesetzliche Regelungen für EZigaretten und E-Shishas. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg äußert sich in einem Factsheet kritisch (DKFZ 2014) – mahnt aber auch gesetzliche Regelungen an. Diese kommen aber nicht, und zwar schon seit Jahren nicht.
Aber wie gefährlich ist das Dampfen? Als Konsequenz aus dem Fehlen gesetzlicher Regelungen und Verbraucherschutzbestimmungen (keine klare Etikettierung mit Ausweisung der Inhaltsstoffe etc.) weiß man in der Tat nicht genau, was die E-Zigarette, ob mit Nikotinkartusche oder „nur“ Aromastoffen, tatsächlich enthält. Klar ist nur, dass auch die E-Zigarette Spuren fremder Substanzen   enthalten kann, allerdings sehr viel seltener und in einem weitaus geringerem Maße als Tabakzigaretten und im Übrigen viel ungefährlicher. Gerauchter Tabak hingegen enthält etwa 4.000 chemische Stoffe, von denen mehrere Hundert toxisch (z.T. kanzerogen) sind und auch nicht auf der Zigarettenschachtel ausgewiesen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Dampfen Stoffe freisetzt, die gebräuchlichen Standards hinsichtlich der Sicherheit am Arbeitsplatz widersprechen (Burstyn 2014). Abgewogen und nüchtern betrachtet muss man auf einem Kontinuum der Risiken E-Zigaretten und E-Shishas am unteren Ende, etwa neben Produkten zum Nikotinersatz, ansiedeln, Tabakzigaretten jedoch ganz oben (Nutt et al. 2014).

Die Ratund Tatenlosigkeit der Politik und Verantwortlichen führt allerdings dazu, dass nicht nur der wichtige Verbraucherschutz ungenügend beachtet wird, sondern auch dazu, dass das Potenzial der E-Zigarette für Rauchstoppbzw. Reduktionsversuche nicht annähernd ausgeschöpft wird. Zu groß ist die Verwirrung über die Inhaltsstoffe und ggf. das Gefährdungspotenzial für Jugendliche, die zwar erfreulicherweise immer stärker Tabakzigaretten ablehnen, aber teilweise den süßlichen Aromen beim „Dampfen“ nicht abgeneigt sind.

Aus der Not des Fehlens klarer gesetzlicher Bestimmungen ist eine verbrauchergestützte Selbsthilfe-/Gesundheits-/Genussbewegung erwachsen: Verbraucher informieren, orientieren und organisieren sich selbst. Keine Ressourcen der Gesundheitsversorgung erhält diese Gegenbewegung, aber sie wird konfrontiert mit Ablehnung, Missachtung oder sogar Antipathie von vielen Stellen der Gesundheitsversorgung. Es besteht eine Ablehnungskoalition der Öffentlichen Gesundheit, keine – auf Schadensminimierung ausgelegte – Gesundheitsdebatte der Verantwortlichen, geschweige denn Forschung auf diesem Gebiet. Der Public Health-Diskurs fokussiert sich auf den E-Zigarettengebrauch bei Jugendlichen, als Einfallstor für das Rauchen konventioneller Tabakzigaretten – verbunden mit der Gefahr, dass E-Zigaretten den Prozess 153 der „De-Normalisierung“ des Rauchens untergraben und zu einer „Re-Normalisierung“ führen konnten; eine unbewiesene Jugendverführungstheorie vieler Gegner (Frankenberger 2014). Nutzer von E-Zigaretten verstehen sich nicht mehr als Raucher, sondern als „Dampfer“ (Ekberg 2014).

Nur wenige Gesundheitsexperten engagieren sich für Schadensminimierung beim Tabakrauchen, und noch weniger für die Frage der Tauglichkeit von E-Zigaretten für die Millionen Noch-Tabakraucher als Risikoreduktionsmittel in Deutschland. Die Grass-Roots-Bewegung der „Dampfer“ wird alleingelassen und mehr oder weniger ausgegrenzt. Was aber hat das mit den Prinzipien der Gesundheitsförderung zu tun? Gesundheitsförderung ist laut OttawaCharta (WHO 1986) ein Prozess der Befähigung von Menschen, mehr Kontrolle und Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu gelangen. Und dazu haben die (potenziellen) Gebraucher von E-Zigaretten ein Recht, insbesondere auch dazu, besser informiert und aufgeklärt zu werden.

Was also angesichts der immer noch hohen Zahl gegenwärtiger Raucherinnen und Raucher sehr erstaunt, ist, dass das Potenzial der E-Zigarette in schadensminimierender Hinsicht unbeachtet, ja fast verbannt bleibt. Die offiziellen Verlautbarungen des DKFZ sehen eigentlich nur Gefahren (Pötschke-Langer, 2014), unternehmen aber keinen Abwägungsprozess auf evidenzbasierter Ebene, um den Strohhalm, den die E-Zigarette darstellt, für die Rauchprävention nutzbar zu machen.

Literatur

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