Archiv der Kategorie: C 3 I Gesetzliche Regelungen und Rahmenbedingungen

Verlagerung des Strafrechts auf das Fahrerlaubnisrecht

Von Theo Pütz

Unabhängig von der grundsätzlichen Frage, inwieweit das Strafrecht geeignet erscheint, mögliche Probleme, die durch einen Drogenkonsum entstehen können, entgegenzuwirken (siehe Resolution der Strafrechtsprofessoren, Böllinger in diesem Band), hat das Bundesverfassungsgericht schon 1994 bezogen auf Cannabis festgestellt, dass gerade die strafrechtliche Verfolgung von Konsumenten unverhältnismäßig erscheint, da die möglichen Gefahren, die durch Cannabis für die Gesellschaft entstehen können, mit denen von Alkohol vergleichbar sind.
Mit dieser Entscheidung wurden die Staatsanwaltschaften dazu angehalten, die Strafermittlungsverfahren bei Besitz von geringen Mengen für den Eigenbedarf straflos einzustellen. Damit wurde den Strafverfolgungsbehörden insbesondere die „Strafrechtskeule“ gegenüber Konsumenten weitgehend entzogen. Damit muss ein Cannabiskonsument, der erstmalig auffällt, nicht mehr zwangsläufig mit einer strafrechtlichen Verurteilung rechnen.

Straffrei, na und….?????
Genau zum selben Zeitpunkt wurden allerdings die Zügel im Fahreignungsrecht massiv angezogen. Schon 14 Tage nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge-richtes trat u.a. in Nordrhein-Westfalen ein Erlass in Kraft, der den Fahrerlaubnisbehörden vorgab, dass in den Fällen, in denen ein Strafermittlungsverfahren gemäß § 31a BtMG eingestellt wurde, die betroffenen Personen aufzufordern seien, auf eigene Kosten ihre Drogenfreiheit nachzuweisen. Sollten sie der Aufforderung nicht nachkommen, sollte die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung entzogen werden. Sollte nach wie vor ein Konsum feststellbar sein, sollten weitere Maßnahmen (MPU) oder Entzug der Fahrerlaubnis angeordnet werden. Somit muss jeder Drogenkonsument seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts damit rechnen, dass seine generelle Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen grundsätzlich in Zweifel gezogen wird, was extreme Auswirkungen auf die Betroffenen hat. Neben den enormen Kosten, die durch ein solches Verfahren entstehen, sehen sich viele auch existenziell gefährdet, da sie beruflich auf ihre Fahrerlaubnis angewiesen sind.

Von Strafrecht auf Verwaltungsrecht
Die juristischen Möglichkeiten für die Betroffenen sind extrem schwierig. Dies liegt insbesondere an der Tatsache, dass die Kriterien hinsichtlich der generellen Fahreignung über das Verwaltungsrecht geregelt sind. Gegenüber den Verwaltungsbehörden stehen die Betroffenen ohne ausreichenden Rechtsschutz da. Zum einen liegt die Beweislast im Verwaltungsrecht grundsätzlich auf Seiten der Betroffenen (Bringschuld), zum anderen entziehen sich die Überprüfungsbegründungen grundsätzlich einer juristischen Überprüfung, und zudem fehlt selbst bei Entzug der Fahrerlaubnis ein durchgreifender Rechtsschutz, da die Fahrerlaubnis grundsätzlich mit sofortiger Wirkung entzogen wird (Gefahrenabwehr). Anders als im Strafrecht gibt es im Verwaltungsrecht auch kein Beweisverwertungsverbot, d.h., selbst wenn sich herausstellt, dass die Informationen durch die Polizei illegal ermittelt wurden und in einem anhängigen Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen, gilt dies nicht für die Verwaltungsbehörden.

Ordnungsrecht
Ab jetzt ist jede Fahrt eine Drogenfahrt
Am 1.8.1998 trat der novellierte Paragraph 24a StVG in Kraft. Seither wird jedweder Nachweis einer illegalen Substanz im Blut als Drogenfahrt gewertet, die mit Bußgeld, Fahrverbot und Punkten in Flensburg geahndet wird. Diese Novellierung war dem Umstand geschuldet, dass eine Verurteilung wegen absoluter Fahruntauglichkeit immer schwieriger wurde, da immer kleinere Drogenspuren durch die Fortschritte in der forensischen Toxikologie nachweisbar wurden, ohne dass auch noch Ausfallserscheinungen (Drogenwirkung) festgestellt werden konnten. Daher sah es der Gesetzgeber geboten, eine Rechtsnorm einzuführen, die eine Verurteilung (Ordnungswidrigkeit) ermöglicht, ohne dass irgendwelche Auffälligkeiten vorgelegen haben müssen.

Ab jetzt sind die Fahreignungskriterien amtlich und rechtsverbindlich.
Am 1.1.1999 trat die Fahrerlaubnisverordnung in Kraft. In dieser Bundesverordnung werden die Kriterien hinsichtlich der generellen Fahreignung einheitlich und im Detail geregelt und lösen somit die einzelnen landeseigenen Erlasse ab. Neben den Verfahrensweisen zur Überprüfung der Fahreignung sind nunmehr auch Ausschlusskriterien klar formuliert.
Demnach fehlt jeder Person, die Mittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert, grundsätzlich die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit, die zum Führen eines Kraftfahrzeuges vorausgesetzt werden. Um es einfach zu formulieren, führt jedweder Konsum von Betäubungsmitteln (ausgenommen Cannabis) zum Verlust der individuellen Mobilität. Dies gilt völlig unabhängig von einer Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss.
Bei Cannabis wird die Fahreignung nur dann als gegeben angesehen, wenn nur ein gelegentlicher Konsum vorliegt und keine weiteren Umstände hinzukommen, wie zum Beispiel eine Drogenfahrt oder der zusätzliche Gebrauch von Alkohol. Ein regelmäßiger Cannabiskonsum führt ebenso zum Verlust der Fahrerlaubnis, auch wenn nie eine Drogenfahrt begangen wurde.

Die Fahreignung betreffenden KO-Kriterien im Überblick:
• Konsum (nicht Missbrauch!) von Betäubungsmitteln i.S.d. BtmG (ausgenommen Cannabis) • Regelmäßiger Cannabiskonsum
• Gelegentlicher Cannabiskonsum, zum dem schon ein wiederholter Konsum zählt, und Verkehrsverstoß, (fehlendes Trennungsvermögen)
• Gelegentlicher Cannabiskonsum und zusätzlicher Gebrauch von Alkohol (auch außerhalb einer Verkehrsteilnahme)

Vom Strafverfolger zum Fahreignungsüberwacher
Am 1.1.1999 tritt eine weitere Novellierung im Verkehrsrecht (§2 Abs. 12 StVG) in Kraft, die die Polizei ermächtigt, alle Daten, die auf einen nicht nur vorübergehenden Fahreignungsmangel hindeuten, unmittelbar an die zuständige Fahrerlaubnisbehörde zu übermitteln. Dieses Instrument war ein willkommenes Geschenk an die Strafverfolgungsbehörden. Mit dieser Rechtsnorm hat die Polizei nunmehr die Möglichkeit, völlig unabhängig vom Ausgang eines Strafund/oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens alle gewonnenen Erkenntnisse an die Fahrerlaubnisbehörde weiterzugeben, damit diese dann schon unabhängig vom Verfahrensstand eigene Maßnahmen bis hin zum sofortigen Entzug der Fahrerlaubnis einleiten kann.
Dass die Polizei als untere Ermittlungsbehörde das neue Fahrerlaubnisrecht für ihre Zwecke „gebraucht“, wurde schon sehr früh erkennbar. Zum einen verweist schon das Schulungsprogramm Drogenerkennung im Straßenverkehr von 1997 darauf hin; Zitat „Schon jetzt sollte daran gedacht werden, dass unter Umständen die Beweise für eine Fahruntüchtigkeit nicht ausreichen, die Verwaltungsbehörden aber von einer generellen Fahruntauglichkeit ausgehen werden. Es ist deshalb so weit rechtlich zulässig, Beweise zu sichern für die regelmäßige Aufnahme von Drogen….“ 88 Zum anderen hat nach einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten vom 25.10.2001 der Polizeipräsident von Stuttgart „eine gemeinsame Strategie der Landeshauptstadt Stuttgart und der Polizei zur Bekämpfung der synthetischen Droge Ecstasy vorgestellt. Autofahrer, die jetzt im Besitz und unter dem Einfluss der Droge in eine Verkehrskontrolle geraten, werden nicht nur nach dem Strafrecht behandelt, sondern müssen mit dem Entzug des Führerscheins rechnen.“ 89
Im Weiteren heißt es:
„‚Es ist eine noch schärfere Waffe als das Straf und Ordnungswidrigkeitenrecht, weil es auf der Gefahrenabwehr beruht’, so S. Es muss also keine Straftat mehr nachgewiesen werden, sondern es genügt eine Prognose um die Fahrtauglichkeit, um ein Strafmaß zu finden.“ 90
Hieran wird schon deutlich, dass die Strafverfolgungsbehörden die Rechtsnorm zu ihren strafrechtlichen Zwecken missbrauchen, da eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich keine bestrafende Instanz ist. Zum anderen wird daran auch deutlich, dass den Strafverfolgungsbehörden sehr wohl bewusst ist, dass der Entzug der Fahrerlaubnis durch die Betroffenen grundsätzlich als eine Strafmaßnahme wahrgenommen wird.
Der Leiter des Stuttgarter Rauschgiftdezernats legte nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 19.01.2004 noch nach, indem er sagte „Zudem müsse Cannabis im Fahrerlaubnisrecht künftig wie eine harte Droge, also etwa wie Ecstasy behandelt werden. Das heißt, Cannabiskonsumenten würden in jedem Fall ihren Führerschein riskieren.“

Der Hinweis aus dem polizeilichen Schulungsprogramm, grundsätzlich die Konsumgewohnheiten des Verdächtigen zu ermitteln, damit die Fahrerlaubnisbehörde den Führerschein entziehen kann, spiegelt sich auch in der strafrechtlichen Ermittlungspraxis wieder.

Heute findet man kaum noch strafrechtliche Vernehmungen, in der nicht auch die Konsumgewohnheiten durch die ermittelnden Beamten abgefragt werden, obwohl diese Angaben strafrechtlich völlig irrelevant erscheinen. Hier wird das Ziel Bestrafung durch die Hintertür sehr deutlich. Mittlerweile ist es auch nicht mehr ungewöhnlich, dass im Zuge von strafrechtlichen Ermittlungen Urinproben oder gar Haaranalysen angeordnet werden, nur um einen möglichen Konsum nachzuweisen, um diesen dann wiederum an die Fahrerlaubnisbehörde zu übermitteln. In den Fällen, in denen ein Drogennachweis gelingt, wird die Fahrerlaubnis durch die Verwaltungsbehörde unmittelbar entzogen. Ausgenommen hiervon ist lediglich Cannabis, sofern nicht ein regelmäßiger Cannabiskonsum festgestellt wurde. In diesen Fällen müssen die Betroffenen aber mit weitergehenden und teuren Überprüfungsmaßnahmen (MPU) rechnen.

Drogen im Straßenverkehr
Betrachtet man die Fahreignungskriterien vor dem Hintergrund des Verkehrsordnungsrechts, wird es völlig absurd. Wir fassen zusammen: Seit dem 1.1.1999 steht fest, dass Personen, die Mittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumieren, grundsätzlich nicht fahrgeeignet sind, selbst bei einem nur einmaligen Konsum. Bei Cannabis trifft dies grundsätzlich zu, wenn neben einem gelegentlichen Konsum (mehr als einmal) bei einer Verkehrskontrolle noch THC über 1 ng/ml nachgewiesen wird.
Einige Monate zuvor trat der novellierte §24a StVG in Kraft, der unter Androhung von Bußgeld, Punkten und Fahrverbot Drogenfahrten verhindern sollte.

Der Zweck der Rechtsnorm (§24a StVG) wird systematisch verfehlt!
Bei Verstoß gegen diese Rechtsnorm können die zu verhängenden Sanktionen, hier insbesondere das Fahrverbot, als erzieherische Maßnahme nur verfassungskonform sein, wenn diese das vorgegebene Ziel (Einhaltung des Nüchternheitsgebotes/Punktnüchternheit) erreichen können.
Daran scheitert es aber regelhaft, da die Verwaltungsbehörden schon alleine aufgrund einer Konsumfeststellung davon ausgehen, dass die Person grundsätzlich nicht geeignet ist, ein Kraftfahrzeug zu führen. Bei Cannabis wird schon nach der ersten „Drogenfahrt“ auf ein „fehlendes Trennungsvermögen“ geschlossen, was ebenfalls den unmittelbaren Entzug der Fahrerlaubnis bedeutet. Dies heißt für die Betroffenen, dass sie von jetzt auf gleich ohne Fahrerlaubnis sind, und in der Regel mindestens 1 Jahr völlige Drogenabstinenz nachweisen müssen, bevor sie überhaupt eine Chance haben, eine MPU zu bestehen, die grundsätzlich im Zuge einer Wiedererteilung gefordert wird. Hieran wird deutlich, dass das verwaltungsrechtliche Gefahrenabwehrrecht selbst Rechtsnormen aus dem Straßenverkehrsgesetz überlagert und somit ad absurdum führt.

Verhältnismäßig?
Die Sanktion Fahrverbot mag ungeachtet der Grenzwertfrage für eine Verkehrsteilnahme noch verhältnismäßig erscheinen, da sich dieser Eingriff für den Betroffenen zwar merklich, aber nicht zwangsläufig existenzgefährdend auswirkt, da ein vierwöchiges Fahrverbot selten mit einem Jobverlust einhergeht. Einig werden sich die Strafjuristen auch in der Frage sein, dass ein Entzug der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Nichteignung (gemäß Paragraph 69 StGB) bei einer Ordnungswidrigkeit völlig unverhältnismäßig wäre und kaum Bestand haben könnte.
Ebenfalls wäre es wohl kaum mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar, wenn der Besitz von geringen Mengen für den Eigenbedarf mit einem Entzug der Fahrerlaubnis gemäß §69 StGB sanktioniert werden würde.
In der Rechtspraxis führt der Umgang mit Betäubungsmitteln aber seit 1994 verstärkt zum Entzug der Fahrerlaubnis, zwar nicht als Strafe gemäß § 69 StGB – denn das wäre ja unverhältnismäßig –, sondern nach Paragraph 46 der Fahrerlaubnisverordnung, da bei Drogenkonsumenten die Fahreignung grundsätzlich nicht gegeben erscheint.
In der Summe genommen ist festzustellen, dass auf der einen Seite eine strafrechtliche Verurteilung wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in geringen Mengen für den Eigenbedarf nur noch selten erfolgt. Also eine messbare Entkriminalisierung der Konsumenten, allerdings nur beschränkt auf das Betäubungsmittelstrafrecht.

Der allgemeine Ermittlungsund Bestrafungsdruck gegenüber Drogengebraucherinnen und -gebrauchern hat demgegenüber seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes von 1994 durch die Änderungen im Verkehrsund Fahreignungsrecht in einem enormen Maße zugenommen. Dies führt letztendlich auch zu einem Anstieg der eingeleiteten Strafermittlungsverfahren, da jedweder Konsumnachweis automatisch die Einleitung eines Strafermittlungsverfahrens wegen Verstoß gegen das BtMG nach sich zieht, die dann aber regelhaft eingestellt werden.
Betroffene verlieren aber oftmals ihre Fahrerlaubnis, was nicht selten mit Einkommenseinbußen oder einem Jobverlust einhergeht. Um wieder an ihre Fahrerlaubnis zu kommen, müssen sie nicht selten 12 Monate Abstinenz nachweisen und eine MPU (Idiotentest) bestehen. Die Kosten liegen nicht selten bei 3.000 bis 5.000 Euro. Neben den finanziellen Belastungen, die nicht alle Betroffenen stemmen können und somit ihre Fahreignung auf absehbare Zeit nicht nachweisen können, kann man eine MPU auch nur mit einem positiven Ergebnis abschließen, wenn man den Gutachter davon überzeugen kann, dass man dauerhaft abstinent bleibt. Dass gerade die Strafverfolgungsbehörden das Straf-, Ordnungsund Verwaltungsrecht vermischen und gezielt zu ihren Zwecken einsetzen, zeigt z.B. auch die tagtägliche Ermittlungspraxis aus Berlin.
Drogenermittler beobachten an einem „Brennpunkt“ ein Drogengeschäft. Ein Konsument besorgt sich 2 Gramm Hasch. Mit den 2 Gramm Hasch verlässt er den Park und geht an den Zivilermittlern vorbei. Zugriff? Nein, man wartet ab und beobachtet im Weiteren, wie er in sein Auto steigt, und gibt den Kollegen an der nächsten Ecke Bescheid, damit diese das Auto gezielt einer Verkehrskontrolle inkl. Blutentnahme unterzieht. Wird dann noch was nachgewiesen, meldet die Polizei dies unmittelbar an die zuständige Verwaltungsbehörde, und diese entzieht die Fahrerlaubnis mit sofortiger Wirkung. (aus eigenen Aktenbeständen/ Polizeiberichten)

Die Begründung für diese restriktive Vorgehensweise im Fahreignungsrecht gegen Drogenkonsumenten liefert der Kommentar zu den Begutachtungsleitlinien.
Diesem ist unter 1.1 („Unterschiede zum Alkoholmissbrauch“) zu entnehmen, dass die Autoren diese restriktive Vorgehensweise als erstes damit begründen, dass die Substanzen durch den Gesetzgeber aufgrund ihrer Gefährlichkeit, ungeachtet der Entscheidung vom BverVG 1994, verboten sind, Punkt. Daher ist auch per se von einer enormen Auswirkung auf die Verkehrssicherheit auszugehen.

Sicherlich schränkt eine akute Drogenwirkung die Fahrtauglichkeit ein, die tatsächlichen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit – wie auch im Allgemeinen – liegen nach neuerlichen Erkenntnissen (Druid-Projekt 91 ) aber deutlich unter denen von Alkohol.

Da sich die Gefahreneinschätzung, verbotene Drogen gleich exorbitante Gefahr für die Verkehrssicherheit, nicht bestätigen lässt, und sich diese restriktive Praxis daher auch nicht damit begründen lässt, können alle damit verbundenen Nachteile (Kosten/Entzug der Fahrerlaubnis) nur als reine (Konsum-) Bestrafung wahrgenommen werden. Ferner wird über diesen Hebel auch ein völliges Abstinenzdogma – was illegale Substanzen anbelangt – durchgesetzt, da eine Wiedererteilung der Fahrerlaubnis an den Nachweis dauerhafter Abstinenz geknüpft ist.

Diese Rechtspraxis ist unhaltbar. Zum einen läuft damit jeder Gefahr, seine Fahrerlaubnis zu verlieren, bei dem der Konsum von Drogen festgestellt wird, ohne dass eine nachvollziehbare Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgeht. Zum anderen wird die richtige Vorgabe, nur nüchtern am Kraftverkehr teilzunehmen, völlig pervertiert, da es darauf ganz offensichtlich nicht ankommt. Dadurch steigen auch die Gefahren für die Verkehrssicherheit, da es einem „Drogenkonsumenten“ im Grunde egal sein kann, ob er sich an das Nüchternheitsgebot hält oder nicht, da in jedem Fall die Fahrerlaubnis in Gefahr ist.

88 www.akzept.org/dascannabisforum/download/polizei _schulung.pdf
89 http://www.jurathek.de/showdocument.php?session =1048037732&ID=7288
90 Ebd.
91 http://hanfverband.de/index.php/nachrichten/aktuel les/2289-druid-studie-uebersetzung-undueberraschende-ergebnisse

Für eine verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis

Von Maximilian Plenert und Bernd Werse

Spätestens mit dem Beginn des legalen Verkaufs von Cannabis im US-Bundesstaat Colorado zum 1. Januar dieses Jahres ist die Frage nach der Legalisierung illegalisierter Substanzen wie Cannabis kein akademisches Gedankenspiel mehr. Jahrzehnte der Coffeeshop-Politik in den Niederlanden, Cannabis Social Clubs in Belgien und Spanien, die Defacto-Entkriminalisierungen von Konsumenten inklusive Eigenanbau in Portugal, Cannabisblüten in deutschen Apotheken und das gewaltige Cannabis-als-Medizin-System der USA sowie weiterer Staaten wie z.B. Kanada und Israel – alles dies konnte von der deutschen Politik mehr oder weniger erfolgreich ignoriert oder wegrelativiert werden. Nun aber haben die Staaten Colorado und Washington – dort soll der Verkauf im Juli starten– im Heimatland der Prohibition legalisiert, im August 2013 gab die Obama-Administration auch offiziell hierzu ihren Segen. Ende 2013 folgte Uruguay als erste Nation weltweit. Der legale Verkauf wird hier ebenfalls noch dieses Jahr beginnen. Dies ist voraussichtlich aber nur der Anfang einer Welle von Legalisierungen. In diesem Herbst und danach werden im Zwei-Jahres-Rhythmus weitere US Staaten über diese Frage abstimmen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich die Zustimmung von 60% in Umfragen nicht in weiteren Legalisierungsbeschlüssen wiederfindet.

Damit ist es auch in Deutschland an der Zeit, nicht weiter darüber zu diskutieren ob, sondern wie Cannabis legalisiert werden sollte. Die Medien, die Fachverbände und die Bevölkerung sind bereit für diese Debatte. Noch verweigern sich CDU und SPD beharrlich vor einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dieser Frage, aber auch sie wird die Geschichte einholen. Mit jedem Beitrag zu diesem Thema zeigt die große Koalition ihre argumentative Wehrlosigkeit. Jeder Medienbericht aus Colorado und allen kommenden Orten, an denen ein normaler Umgang mit Cannabis gepflegt wird, lässt ihre Positionen mehr und mehr zu einer Makulatur werden. Die Öffentlichkeit sieht, dass die heraufbeschworenen Horrorszenarien nicht eintreten. Eine Legalisierung verläuft eher überraschend ruhig und ist nicht mit Hunde-und-KatzenRegen verbunden.
Die Erfahrungen aus den Niederlanden, Portugal, Belgien, Spanien und den USA zeigen, dass es evidenzbasierte Modelle für einen alternativen Umgang mit Drogenhandel und -konsum und eine verantwortungsvolle Regulierung von Cannabis gibt. Die Bilder und Berichte aus Colorado bringen mit der Kraft des Faktischen Evidenz in unsere Debatte.

„Legalisierung“ – was ist das?
Legalisierung bedeutet schlicht, den Cannabismarkt für Erwachsene zu regulieren, wie es bei Alkohol und Tabak bereits geschieht. Der bestehende Schwarzmarkt für Cannabis wird durch einen regulierten Markt mit Jugendund Verbraucherschutz (Kontrolle von Qualität und THC-Gehalt) ersetzt; durch eine Besteuerung und geringere Ausgaben für die Strafverfolgung kann mehr Suchtprävention finanziert werden. 85
Es geht niemandem um eine Freigabe für Minderjährige oder die Einführung einer neuen Substanz, sondern um Regelungen für einen Markt für erwachsene Konsumierende. Denn für diese sind die Strafverfolgung und die negativen Auswirkungen des Schwarzmarktes das Hauptproblem.
Legalisierung bedeutet auch eine Normalisierung der Zustände, gerade im Vergleich zu Alkohol und Tabak. Sie bringt ein Ende der mitunter bizarren Auswüchse des Verbots. Erst durch eine Legalisierung können Regeln für die Regulierung und Kontrolle festgelegt werden und der völlig unregulierte Schwarzmarkt ersetzt werden.

Eine Legalisierung löst nur die Probleme, die eine Folge der Prohibition sind. Ein Umdenken in der Drogenpolitik wie ein Abrücken vom Abstinenzdogma hinsichtlich illegalisierter Substanzen wird vermeintliche Probleme wie den Konsum von Erwachsenen auflösen, weil sie in den meisten Fällen schlicht kein Problem sind. Die realen Drogenprobleme bei jungen und/oder exzessiven Konsumenten werden wir auch darüber hinaus haben. Nach einem Ende der Pseudodebatte, ob mehr Strafverfolgung oder Sonntagsreden hier helfen können, kann man sich eine ernsthafte Lösung dieser Probleme überlegen. Wir haben die Wahl:

Prohibition
• 140.000 Strafverfahren wegen Cannabis
• 1 Mrd. € an jährlichen Repressionskosten
• Keine Konsumreduktion
• Kein Jugendschutz
• Kein Verbraucherschutz
• Keine gezielten Informationsangebote
• Keine qualitätsund wirkstoffkontrollierten Drogen
und Regulierung
• Kontrolle über Wirkstoffgehalt
• Jugendund Verbraucherschutz
• optimale Erreichbarkeit von Konsumenten
• offene und ehrliche Prävention

Welche Modelle für einen alternativen Umgang mit Drogenhandel und -konsum existieren?

Niederlande
Das Modell der Coffeeshops in unserem Nachbarland wurde im Jahr 1976 begründet. Der Verkauf von bis zu fünf Gramm Cannabis in Coffeeshops an Erwachsene sowie der Besitz von bis zu 5 Gramm und von bis zu 5 Pflanzen ist illegal, wird aber nicht verfolgt. Die Versorgung der Coffeeshops ist weiterhin illegal und wird verfolgt. Der Verkauf in niederländischen Coffeeshops sollte nur an Niederländer erfolgen, in der Praxis wird diese Regelung aber regional unterschiedlich gehandhabt (so sind z.B. die Coffeeshops in sämtlichen zentral gelegenen großen Städten des Landes nach wie vor für Ausländer geöffnet) 86 . Aktuell diskutieren mehrere Städte, wie eine legale Versorgung der Coffeeshops realisiert werden könnte. Die Bilanz der niederländischen Drogenpolitik ist im Großen und Ganzen unspektakulär: Der Konsum von Cannabis liegt ungefähr im europäischen Durchschnitt und es werden schlicht nicht mehr Millionen Bürger von der Polizei verfolgt und Milliarden hierfür ausgegeben.

USA 87
Colorado
Im November 2012 stimmten die Bürger von Colorado für die Verfassungsänderung Amendment 64. Mit der Unterzeichnung des Gesetzes durch den Gouverneur im darauf folgenden Monat wurde der Besitz von einer Unze (28 Gramm) Marihuana legal, ebenso wie das Verschenken von bis zu einer Unze an Erwachsene und der Anbau von bis zu sechs Pflanzen, von denen maximal drei blühen dürfen. Die Ernte ist unabhängig von der Gesamtmenge legal, solange sie zuhause verbleibt. Es sind keine Formen des gemeinsamen Anbaus wie in Cannabis Social Clubs vorgesehen.
Im Jahr 2013 wurde das System für den legalen Verkauf, vom Anbau über Verarbeitung und Großhandel bis zum Einzelhandel geschaffen. Der Verkauf begann am 1.1. 2014. Pro Einkauf darf von Bürgern Colorados eine Unze erworben werden, bei Auswärtigen liegt die Grenze bei 1⁄4 Unze. Diese Regeln gelten für alle Menschen ab 21 Jahren, nicht nur US-Bürger oder Staatsbürger.
Weiterhin verboten bleibt der Konsum in der Öffentlichkeit. Der Besitz von zwei Unzen stellt ein Vergehen da, ab 12 Unzen (340 g) ist es ein Verbrechen. Das Gleiche gilt für den Verkauf ohne Lizenz oder den Anbau von mehr als 6 Pflanzen. Die Angaben beziehen sich auf Marihuana. Die Regeln für Haschisch und Konzentrate sind strenger bzw. weniger großzügig bei den Mengen. Für Personenunter 21 Jahren ist der Besitz verboten, bei geringen Mengen aber entkriminalisiert und wird mit Ordnungswidrigkeiten oder Jugendstrafen geahndet. Im Straßenverkehr gilt ein Grenzwert von 5 ng/ml THC.
Auf die verkauften Produkte werden neben den normalen Verkaufssteuern Sondersteuern erhoben. Eine 15%-Sondersteuer fließt in den öffentlichen Haushalt, wobei die ersten 40 Millionen für den Schulbau verwendet werden müssen. Eine weitere 10%-Sondersteuer soll für die Verwaltung des Cannabissystems genutzt werden.
Das bestehende System für Cannabis als Medizin bleibt unberührt und existiert parallel (z.B. ohne Sondersteuern).

Washington
In Washington stimmten die Bürger ebenfalls im November 2012 für die Initiative 502. De Besitz und Kauf von einer Unze Marihuana ist legal. Zudem gibt es ein legales System für Anbau, Verarbeitung, Großund Einzelhandel; der Verkauf soll Mitte 2014 beginnen. Der öffentliche Konsum ist verboten. Der Besitz ab 40 Gramm oder mit der Absicht zur Weitergabe sowie der Handel und Weitergabe und jeglicher Anbau sind Verbrechen. Im Straßenverkehr gilt ein Grenzwert von 5ng/ml THC.
Auch in Washington sollen auf die verkauften Produkte neben den normalen Verkaufssteuern Sondersteuern erhoben werden. Die 25%-Steuer fließt in den öffentlichen Haushalt, davon sollen 60% für Prävention, Forschung, Gesundheit und Bildung verwendet werden.
Auch hier bleibt das bestehende System für Cannabis als Medizin unberührt und existiert parallel (z.B. mit Regelungen zum Eigenanbau).

Uruguay
Im Dezember 2013 beschloss das Oberhaus von Uruguay eine „verantwortungsvolle Regulierung“ und legalisierte damit als erste Nation weltweit Cannabis vollständig. Die Initiative für das Gesetz ging von Präsident Mujica aus und war im August bereits vom Unterhaus verabschiedet worden. Im Gegensatz zu den US Bundesstaaten mit ihrem Cannabis-als-Medizin-System muss hier ein kompletter Markt aus dem Boden gestampft bzw. in die Legalität geführt werden. Mit einem Start des Verkaufs in Apotheken wird Ende des Jahres gerechnet.
Das Gesetz sieht drei Möglichkeiten der Versorgung mit Cannabis vor:
Jeder Bürger über 18 darf bis zu 40 Gramm Cannabis pro Monat in der Apotheke kaufen. Es gibt eine Registrierungspflicht und es dürfen maximal 10 Gramm pro Kauf erworben werden. Der Staat organisiert und überwacht den kommerziellen Anbau sowie den Verkauf. Der Wirkstoffgehalt von Cannabisprodukten ist auf 15% THC begrenzt.
Zudem ist der private Anbau von bis zu sechs Pflanzen pro Haushalt legal. Der private Anbau beinhaltet eine legale Vorratshaltung von 480 Gramm Hanfblüten pro Jahr.
Schließlich ist auch der gemeinsame Anbau in Cannabis Social Clubs legal. Sie dürfen jedoch nicht mehr als 45 Mitglieder haben, welche mindestens 15 und maximal 99 Pflanzen anbauen dürfen. Die Erntegrenze von 480 g pro Jahr und Person gilt auch hier.
Touristen dürfen kein Cannabis kaufen. Der öffentliche Konsum und Werbung sind verboten, berauschtes Fahren ebenso. Einfache Verstöße gegen das neue Gesetz werden bei Käufern als Ordnungswidrigkeit mit Beschlagnahmungen des Cannabis und Kaufverboten bestraft. Verkäufern droht der Lizenzentzug. Es sind keine Haftstrafen vorgesehen. Die alten Gesetze gegen illegalen Handel etc. gelten weiter.

Weitere Modelle
Daneben gibt es zahlreiche weitere offizielle und inoffizielle Modelle, sei es der seit vielen Jahren existierende legale Eigenanbau in Alaska oder Hunderte Cannabis Social Clubs in Spanien und Belgien. Am Beispiel von Portugal kann man die positiven Effekte einer Verbannung des Strafrechts für Konsumenten und der damit verbundenen maximalen Entkriminalisierung studieren (siehe auch Plenert/ Abschnitt C4 in diesem Band).

Entwurf eines Gesetzes zur Regulierung von Cannabis in Deutschland
Basierend auf diesen Modellen und als Grundlage für eine produktive Diskussion in Deutschland wird im Folgenden eine Skizze für ein Gesetz zur Regulierung von Cannabis mit einigen Optionen präsentiert.

1. Substanzen
Gegenstand des Gesetzes ist Cannabis in jeder Form, die zu einem Rausch geeignet ist. Dazu gehören die komplette Pflanze (außer es handelt sich um „Nutzhanf“), die Blüten, Haschisch und andere Extrakte, sowie der reine Wirkstoff THC und Zubereitungen, die diesen in einer relevanten Dosis enthalten.
Die anderen natürlich vorkommenden Cannabinoide sowie synthetische Stoffe, die an den Cannabinoidrezeptoren wirken, sind praktisch nur für medizinische und wissenschaftliche Zwecke sowie einige wenige experimentierfreudige Konsumenten interessant – dies kann an anderer Stelle geregelt werden. Eine Regulierung der Hanfsamen ist denkbar, aber nicht notwendig. „Nutzhanf“ kann im gleichen Gesetz abgehandelt werden.

2. Regelungen für die Konsumenten
Wie bei Alkohol und Tabak ist ein Alter von 18 Jahren Voraussetzung für einen legalen Einkauf und Konsum in der Öffentlichkeit. Weitere Einschränkungen bezüglich der Kaufmengen oder Zugangsvoraussetzungen sind nicht notwendig.
Eine Mengenbegrenzung beim Besitz ist nicht nötig. Analog zu Medikamenten, Alkohol und Tabak gilt, dass ein Handeltreiben ohne Genehmigung illegal ist. Ein Verdacht dafür ergibt sich z.B. bei großen Mengen in untypischer Form. Ein Weinkeller ist legal, bei einem Schiffscontainer voll Acetylsalicylsäure oder Sildenafil ist ein Anfangsverdacht auf Handel jedoch angebracht.

3. Regelungen für den Einzelhandel
Cannabis darf nur in Fachgeschäften gehandelt werden. Das Verkaufspersonal muss geschult sein, sowohl was die Anwendung und Wirkung der Substanzen in all ihren Formen, als auch ihre Auswirkungen wie schädlicher Gebrauch betrifft. Eine Alterskontrolle über Personalausweise ist obligatorisch und mit Testkäufen zu kontrollieren.
Jeder Geschäftsführer, der ein Cannabisfachgeschäft betreibt, benötigt eine persönliche Lizenz. Hierfür muss er die notwendige Fachkunde nachweisen und geeignet für die Geschäftsführung sein. Bei Verstößen gegen den Jugendoder Verbraucherschutz erfolgt eine vorübergehende Aussetzung oder ein Entzug der Lizenz.
Für die Details – auch beim Anbau, Verarbeitung und Großhandel – beim Verbraucherschutz, Hygiene und Qualitätsstandards lassen sich bewährte Regeln für Alkohol, Tabak, Lebensmittel und Arzneimittel nutzen. Der Gehalt an Wirkstoffen, insbesondere THC, muss geprüft und ausgezeichnet sein. Die Ware muss frei von schädlichen Verunreinigungen wie Schimmel oder Pflanzenschutzmitteln sein.
Der Ware ist ein realitätstauglicher Beipackzettel beizulegen. Zielgerichtete Warnhinweise an Schwangere, Herzkranke oder Menschen mit einer psychischen Vorbelastung sind obligatorisch.
Verboten werden kann der Verkauf an stark berauschte Menschen, Werbung außerhalb von Geschäften und Fachzeitschriften sowie die kostenlose Abgabe, Rabatte oder Mischungen mit anderen Drogen wie z.B. Tabak.

4. Eigenanbau und gemeinsamer Anbau
Noch mehr als bei Alkohol und Tabak ist eine Eigenversorgung bei Cannabis für viele Konsumenten eine Option. Wie in Colorado und Uruguay ist der Anbau von bis zu 6 Pflanzen, davon drei in der Blüte, legal. Falls es eine Einschränkung der Besitzmenge gibt, sollte sie für die zuhause gelagerte Ernte nicht gelten. Nicht gewinnorientierte Anbauvereine sind legal.

5. Preis und Steuern
Hier gibt es eine große Bandbreite an Möglichkeiten. Zu beachten sind die Marktbedingungen in der Einführungsphase und eine dauerhafte Schwarzmarktprävention. Denkbar wäre eine Steuer von 50% des Verkaufspreis oder fixe 2 Euro pro Gramm Cannabisblüte oder Haschisch. Bei 10% THC wären dies 2 Euro pro 100 mg THC; dies gilt analog für alle anderen Produkte.
Bei Cannabis wäre eine teilweise Zweckbestimmung der Steuer für Prävention, Therapie und Beratung statt nur für die Sanierung des Haushalts wünschenswert.

6. Straßenverkehr
Wer berauscht am Straßenverkehr teilnimmt und damit andere gefährdet, wird bestraft. Nicht mehr und nicht weniger braucht es hier; die Umsetzung ist machbar, inklusive sinnvoller Grenzwerte. Die verwaltungsrechtlichen Bestimmungen, nach denen regelmäßig Konsumierende per se nicht berechtigt sind, ein Fahrzeug zu führen (siehe Pütz in diesem Band), werden aufgehoben.

7. Strafbestimmungen
Mit dem Strafrecht sollte alleine der illegale Handel bzw. allgemeiner jede gewinnorientierte Handlung außerhalb des lizenzierten Handels, insbesondere bei Jugendlichen, geahndet werden.
Eine nichtkommerzielle Weitergabe an Minderjährige, insbesondere durch junge erwachsene Freunde, mag sozial unerwünscht sein, ist aber nicht strafwürdig. Bei fahrlässigen oder mutwilligen Schäden greifen andere Strafnormen. Ein Übertreten der Menge von 6 Pflanzen ist ohne Gewinnorientierung nur eine Ordnungswidrigkeit; die überzähligen Pflanzen werden beschlagnahmt.

Ausblick
Noch geht die weltweite Debatte um eine alternative Drogenpolitik an den Parteien der großen Koalition vorbei. Während in den USA der Damm faktisch gebrochen ist, bröckeln die Mauern des Gedankengefängnisses der Cannabisprohibition hierzulande erst langsam. Wie sich die Drogenpolitik weiterentwickelt, ist unklar; denkbar sind hier viele Wege. Neben den Effekten der Veränderungen im Ausland gibt es auch in Deutschland einige Punkte, bei denen sich etwas bewegt. Die wachsende Verbreitung von Cannabis als Medizin wird zu einer Normalisierung beitragen. Vor Ort mehren sich die Rufe nach Modellversuchen und der kommende erste legale Eigenanbau durch Patienten wird bildmächtig wirken. Zu welchen Zwischenschritten es in Bezug auf Gesetzesänderungen mit Lücken und Grauzonen durch die Parlamente oder Urteile von obersten Gerichten kommen wird, ist unklar. Klar ist nur: Wir befinden uns historisch an einem Wendepunkt in der Drogenpolitik.

Zum Weiterlesen
Nach dem Krieg gegen die Drogen: Modelle für einen regulierten Umgang. Urheber: Transform Drug Policy Fundation. Herausgeber der deutschen Übersetzung: akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik. www.akzept.org/pdf/drogenpolitik/regulierungs _modelle0612.pdf http://legalisierung-von-drogen.de/
Friedrich-Ebert Stiftung: Entkriminalisierung und Regulierung – Evidenzbasierte Modelle für einen alternativen Umgang mit Drogenhandel und -konsum, Autoren: Heino Stöver und Maximilian Plenert, 2013, http://library.fes.de/pdf-files/iez/10159.pdf
Nicole Krumdiek: Die nationalund internationalrechtliche Grundlage der Cannabisprohibition in Deutschland. Berlin: Lit, 2006

85 https://www.dialog-ueber-deutschland.de/DE/20Vorschlaege/10-WieLeben/Einzelansicht/vorschlaege_einzelansicht_nod e.html?cms_idIdea=2070
86 http://keinwietpas.de/wo-gilt-der-wietpas-wo-nicht/ 87 Das Rechtssystem der USA ist nicht eins zu eins nach Deutschland übertragbar. Die Begriffe Ordnungswidrigkeit, Vergehen und Verbrechen sind deswegen nur sinngemäß zu verstehen.

Strafrechtsprofessoren fordern Reform des Drogenstrafrechts

Von Lorenz Böllinger

Strafrechtsprofessoren fordern Reform des Drogenstrafrechts

Anfang 2014 sorgte eine Resolution für Aufsehen in der deutschen Medienlandschaft. Das 2011 vom „Schildower Kreis“, einem auf Drogenpolitik bezogenen interdisziplinären Netzwerk von Experten aus Wissenschaft und Praxis gestartete Projekt kriminalpolitischer Aktionsforschung bezweckt eine Reform des Betäubungsmittelrechts mittels interdisziplinär beratender parlamentarischer EnquêteKommission gem. § 56 BT-Geschäftsordnung.

1. Ziel: Enquête-Kommission
Bisher unterzeichneten 122 deutsche Strafrechtsprofessorinnen und -professoren die Resolution, welche die Einrichtung einer Enquête-Kommission des Bundestages zum Thema ‚Erwünschte und unbeabsichtigte Folgen des geltenden Drogenstrafrechts’ zum Ziel hat (Text: www.schildower-kreis.de; www.polizei-newsletter.de) 84 . Im Sinne der verfassungsrechtlich vorgegebenen Überprüfungspflicht des Gesetzgebers soll diese eine wissenschaftlich und interdisziplinär begründete Evaluation des Drogenstrafrechts vornehmen. Fernziel ist die Veränderung des Drogenstrafrechts auf der Grundlage empirischer Forschung und informierter gesellschaftlicher bzw. parlamentarischer Verständigung. Solche hat bisher das BtMG betreffend nie stattgefunden.

Der mittels der Enquête-Kommission an den Gesetzgeber adressierte Appell ist in mehrfacher Hinsicht verfassungsrechtlich begründet. Die umfassendste Begründung findet er im herausragendsten Prinzip des Grundgesetzes, dem von allen drei Teilgewalten zugrunde zu legenden Verhältnismäßigkeitsprinzip. Daraus ergibt sich allgemein und formal, dass Gesetze, welche die Grundfreiheiten der Bürger einschränken, inhaltlich und wissenschaftlich begründet sein müssen und dass sie im Verlauf ihrer Anwendung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit überprüft werden müssen. Dogmatisch operationalisiert ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip nach allseits akzeptierter Verfassungslehre in den drei Unterprinzipien Erforderlichkeit, Geeignetheit und Proportionalität. In diesem Rahmen ist die inhaltliche Überprüfung des BtMG vorzunehmen.
Das BVerfG hat zwar in seiner CannabisEntscheidung von 1994 und in mehreren darauf basierenden Nicht-Annahme-Beschlüssen die strafrechtlichen Vorschriften des BtMG für verfassungsgemäß befunden. Es legte jedoch in enger exemplarischer Auswahl die damals aktuelle, lückenhafte Datenund Erkenntnislage zugrunde. Es beachtete nicht, dass der BtM-Gesetzgeber 1971 auf Druck der USA ohne eigene wissenschaftliche Begründung unbesehen die Vorgaben der UNO-Single Convention von 1961 in das BtMG umgesetzt hatte. In den seither verstrichenen fast 20 Jahren hat sich zum einen die soziale Realität in hohem Maße verändert, zum anderen die entsprechende wissenschaftliche Daten-, Methoden und Erkenntnislage massiv erweitert. Initiierung und Neubewertung entsprechender Forschung sind also erforderlich, um dem BtMG erstmals eine dem Verfassungsund Gesetzgebungsrecht genügende Grundlage zu verleihen. Folgende Begründung der Resolution könnte Grundlage eines systematischen Prozederes der Enquête-Kommission werden.

1. Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert
Die strafrechtliche Prohibition bestimmter als gefährlich definierter Drogen ist gescheitert, sozialschädlich, unökonomisch. Dies gilt insbesondere und vor allem für Marijuana. Die Zeit ist reif dafür, die Natursubstanz Cannabis sowohl für medizinischen als auch für den normalen Gebrauch zu legalisieren. Drogenkonsum ist menschliches Normalverhalten und nicht zu eliminieren. Mindestens 5% der Bevölkerung West-Europas konsumieren – so die Europäische Drogenbeobachtungsstelle in Lissabon – regelmäßig Cannabis. Weltweit sind Drogen leichter und billiger denn je erhältlich. Angebot und Nachfrage sind durch Strafdrohung faktisch kaum zu beeinflussen. Mit der Intensität der Repression steigt lediglich der Schwarzmarktpreis und weiten sich mafiose Strukturen aus.

2. Die Naturdroge Cannabis ist weniger gesundheitsgefährlich als Alkohol und Nikotin
Wie bei allen Medikamenten und psychotropen Substanzen hängt die Gesundheitsgefährlichkeit der meist genutzten und strafverfolgten Droge Cannabis von Dosierung und Frequenz des Gebrauchs ab. Bei niedriger Dosierung und Frequenz hat Cannabis keine gesundheitliche, kognitive und oder psychische Beeinträchtigung zur Folge. Nur 5% der Gebraucher praktizieren riskanten Konsum oder werden abhängig. Ihnen hilft nicht das Strafrecht, sondern nur sachgerechte präventive Beratung und Psychotherapie. Das Heroin-Problem ist erst gesundheitsrechtlich, durch Methadonprogramme und Heroinvergabe weitgehend gelöst worden. Legalisierung könnte auch das Gesundheitsrisiko anderer bisher illegaler Drogen entscheidend mindern.

3. Mit der Drogenprohibition gibt der Staat seine Kontrolle über Verfügbarkeit und Reinheit von Drogen auf
Nicht die Wirkung der Drogen ist das Problem, sondern die repressive Drogenpolitik schafft Probleme. 90-95% der Konsumenten illegaler Drogen leben ein normales Leben. Selbst abhängige Konsumenten bleiben oftmals sozial integriert. Menschen mit problematischem Drogenkonsum brauchen Hilfe. Die Strafverfolgung hat für sie und alle anderen nur negative Folgen. Der Schwarzmarkt bewirkt Unkalkulierbarkeit des Wirkstoffge  haltes und gesundheitsschädliche Beimengungen zur Profitsteigerung. Es gibt im durch die Prohibition erzeugten Schwarzmarkt keinen Verbraucherund Jugendschutz.

4. Der Zweck der Prohibition wird systematisch verfehlt.
Prohibition soll den schädlichen Konsum bestimmter Drogen verhindern. Tatsächlich kann sie dieses Ziel nicht erreichen. Das zeigen alle wissenschaftlich relevanten Untersuchungen. Sogar die Evaluation des 10-Jahres-Programms der UNO zur Drogenbekämpfung kommt im Jahr 2008 zu diesem Schluss. Prohibition schreckt zwar einige Menschen ab, verhindert aber Aufklärung und vergrößert gleichzeitig dramatisch die gesundheitlichen und sozialen Schäden für diejenigen, die nicht abstinent leben wollen. Selbst in totalitären Regimes und Strafanstalten kann Drogenkonsum nicht verhindert werden.

5. Die Prohibition ist schädlich für die Gesellschaft
Sie behindert eine angemessene medizinische und psychotherapeutische Versorgung von Problemkonsumenten. Sie erzeugt Beschaffungsund Begleitkriminalität. Sie erzeugt den Schwarzmarkt und fördert die organisierte Kriminalität. Sie bewirkt die Einschränkung von Bürgerrechten und korrumpiert den Rechtsstaat. Durch massive Machtanballung bei Kartellen und Mafia nimmt die Gefahr eines Scheiterns der Zivilgesellschaft zu. Sie hat desaströse Auswirkungen auf staatliche und demokratische Strukturen der Anbau und Transitländer.

Tausende von Toten im aktuellen „Krieg der Drogenkartelle“ in Mexiko sind weitgehend den Kämpfen um exorbitante Schwarzmarktprofite zuzurechnen. Der Schwarzmarkt generiert eine extreme und globalisierte Schattenwirtschaft mit weiterer Folgekriminalität und destabilisierenden Auswirkungen auf globale Finanzmärkte ebenso wie nationale Volkswirtschaften. Angesichts effektiver informeller Geldtransfersysteme kann Geldwäschekontrolle kaum funktionieren. In Reaktion auf den Krieg der Kartelle kommt es sowohl zu einer Quasi-Militarisierung der Polizei als auch zu quasi-polizeilichen Funktionen des Militärs. Auch dadurch erodieren staatliche Grundstrukturen.

6. Die Prohibition ist unverhältnismäßig kostspielig
Bürger werden Opfer der Beschaffungsund Begleitkriminalität. Jährlich werden Milliardenbeträge für die Strafverfolgung aufgewendet, welche sinnvoller für Prävention und Gesundheitsfürsorge eingesetzt werden könnten. Der Staat verzichtet auf Steuereinnahmen, die er bei einem legalen Angebot hätte.

7. Die Prohibition ist schädlich für die Konsumenten
Konsumenten werden diskriminiert, strafrechtlich verfolgt, stigmatisiert und in kriminelle Karrieren getrieben. Weil es sich um „opferlose“ Kontrolldelikte handelt, welche lediglich proaktiv – und damit Unterschichtangehörige und Migranten benachteiligend – verfolgt werden, kommt es zu grundrechtsverletzender Ungleichbehandlung. Es gibt keine adäquate Risikoaufklärung, keinen Verbraucherund Jugendschutz. Riskante Konsumformen werden gefördert und die auf den Schwarzmarkt gezwungenen Konsumenten werden – teilweise unbekannten – Drogen ausgesetzt, welche gefährlich oder schwieriger zu handhaben sind. Normales jugendliches Experimentierverhalten wird kriminalisiert und das Erlernen von Drogenmündigkeit erschwert. Junge Menschen werden dauerhaft stigmatisiert und ihre Lebenschancen werden gemindert – auch durch unverhältnismäßigen Entzug der Fahrerlaubnis.

8. Quasi-Feldexperimente mit Cannabis beweisen dessen soziale, kulturelle und legale Integrierbarkeit
Diverse Quasi-Feldexperimente mit der liberalisierten Zugänglichkeit oder Vergabe von bislang illegalen Drogen (z.B. Niederlande, Schweiz, Spanien, Portugal, Tschechien) ergaben, dass die befürchtete Ausweitung des Cannabis-Konsums ausbleibt. Außerdem hat sich das drogenpolitische Klima in den bislang im repressiven Drogenregime federführenden U.S.A. stark verändert: Medizinisches Cannabis ist in 18 Bundesstaaten erlaubt und 114    in zwei Bundesstaaten (Colorado, Washington) ist Cannabis ab 1.1.2014 mit sachgerechter Regulierung und Besteuerung legalisiert.

Fazit
Der Staat darf die Bürger durch die Drogenpolitik nicht schädigen. Es ist deshalb notwendig, Schaden und Nutzen der Drogenpolitik unvoreingenommen wissenschaftlich zu überprüfen. Für Cannabis kann das Ergebnis aufgrund gegebener Forschungslage nur lauten: Legalisierung und sachgerechte Regulierung von Herstellung, Vertrieb, Prävention und Behandlung. Das Heroin-Problem ist erst gesundheitsrechtlich, durch Methadonprogramme und Heroinvergabe weitgehend gelöst worden. Für andere illegale Drogen sind aufgrund wissenschaftlicher Analyse spezifische Lösungen zu finden. Für diese Aufgaben wäre eine Enquête-Kommission der geeignete Rahmen. Und damit erhielte das Parlament seine ureigenste Aufgabe zurück.

Nachtrag, Juni 2014 (Maximilian Plenert): Am 4. Juni 2014 wurde der Antrag „Beabsichtigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen“ dipbt.bundestag.de/dip21/btd/18/016/18016 13.pdf durch die LINKE und die Grüne Fraktion im Deutschen Bundestag eingebracht. Mit dieser gemeinsamen Initiative greifen die Oppositionsparteien die Forderungen der Resolution auf und setzen sie auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages.
Der Antrag beinhaltet explizit keine drogenpolitischen Positionen, sondern fordert eine externe wissenschaftliche Evaluierung der Auswirkungen der Verbotspolitik für illegalisierte Betäubungsmittel. Auf Grundlage dieser Überprüfung sollen wissenschaftlich untermauerte Handlungsempfehlungen entwickelt werden. Die im Bundestag vertretenen Parteien können dann entscheiden, für welche Drogenpolitik mit allen ihren beabsichtigten und unbeabsichtigten Auswirkungen sie stehen.
Quelle und Weiterlesen:
http://hanfverband.de/index.php/themen/drogenpoli tik-a-legalisierung/2482-uebersichtsseite-zum-antragqbeabsichtigte-und-unbeabsichtigte-auswirkungendes-betaeubungsmittelrechts-ueberpruefenq

83 Modifizierte, erweiterte und aktualisierte Version eines Artikels, der erstmals in der Deutschen Richterzeitung (01/2014, 10f.) erschienen ist; Bearbeitung: Bernd Werse
84 Lorenz Böllinger ist sowohl Sprecher des interdisziplinären Schildower Kreises als auch Initiator der hier dargestellten Resolution von Strafrechtsprofessorinnen und -professoren.